Interview in den Schaffhauser Nachrichten zur Einführung des Lehrplans 21

Schaffhauser Nachrichten vom 10.08.2019

Fragen: Mark Liebenberg

 


 
 
 
Patrick Stump, Primarlehrer, Co-Präsident LSH Lehrerinnen und Lehrer Schaffhausen

 

 

 

 

 

Herr Stump, was ist ganz anders, wenn Sie am Montag im Schulzimmer stehen werden?

Patrick Stump: Beim Tagesprogramm auf meiner Magnetwand wird statt «Mensch und Mitwelt» neu «Natur, Mensch, Gesellschaft» stehen, statt textiles und nichttextiles Werken heisst es jetzt «Technisches und Textiles Gestalten» und ganz neu wird dort auch «Medien und Informatik» stehen. Das bedeutet, die Fächer werden weiterentwickelt, neue Fächer werden gar eingebaut.

Welches ist aus Ihrer Sicht die grösste Änderung ab dem neuen Schuljahr?

Der Lehrplan 21 atmet ein ganz neues strukturelles Konzept von Volksschule. Er unterteilt nicht mehr in ­Kindergarten, Primarschule Unterstufe, Primarschule Mittelstufe und Sekundarstufe 1, wie dies der alte Schaffhauser Lehrplan getan hat, sondern in drei Zyklen, an deren Ende die Schüler bestimmte Kompetenzen erworben haben müssen.

Welche konkrete Auswirkungen auf die Praxis hat dies?

Zurzeit wenige, die gesetzlichen Grundlagen im Kanton basieren auf dem alten System. Die Lehrmittelverlage haben aber bereits vor längerer Zeit auf die neuen Strukturen reagiert und erarbeiten ihre Lehrmittel gemäss den Zyklen. Auch steigen Lehrpersonen in den Beruf ein, die an der Pädagogischen Hochschule für den Kindergarten, als auch die ersten Jahre der Primarschule ausgebildet wurden.

Führt dies nicht zu einem Durcheinander?

Ich denke, wir befinden uns strukturell in der grössten Veränderung in der Volksschule seit Jahrzehnten. Die Frage ist, wird die Energie des Lehrplans 21 ausreichen, um die Strukturen in den Kantonen zu verändern. Zum Beispiel durch die Einführung einer Basisstufe, da die Kinder in den ersten vier Schuljahren einheitliche Kompetenzen erwerben müssen. Oder werden sich erneut wieder eher kantonale Sonderwege auftun.

Sind die Schaffhauser Lehrerinnen und Lehrer genug vorbereitet?

Zu allen neuen Lehrmitteln ­haben wir Einführungskurse besucht und wurden entsprechend geschult. Hier sehe ich keine Probleme. Um alle anderen Schulungen mussten und müssen sich die Lehrpersonen individuell oder als Teams selber kümmern. Diese Pläne und deren Umsetzung ­variieren sehr stark von Schulhaus zu Schulhaus.

Wie ist die Stimmung in der Lehrerschaft? Alles eitel Freude, oder gibt es auch Widerwillen?

Es gibt natürlich bei jeder Veränderung auch Verlierer. So ist zum Beispiel im 3. Zyklus das Latein oder sind im 2. Zyklus einzelne Lektionen in textilem und technischem Gestalten gestrichen worden. Entsprechend gross ist sicherlich bei den zuständigen Lehrpersonen die Enttäuschung. Insgesamt wird der Übergang zum neuen Lehrplan jedoch mit einer gewissen Gelassenheit angegangen.

Sie erwähnten die Kompetenzen. Dies ist ein neuer und umstrittener Begriff. Vorher sprach man von Lernzielen. Was ändert sich im Lehreralltag?

Die Umstellung von Lernzielen auf Kompetenzen ist ein kontinuier­licher Prozess. Viele Lehrmittelverlage erstellen ihre Lehrmittel seit mehreren Jahren hinsichtlich einer Kompetenzorientierung. Ebenso arbeiten viele engagierte Lehrpersonen, wie ich meine, seit Langem kompetenzorientiert. Wir unterrichten unsere Schülerinnen und Schüler mit dem Ziel, dass sie Wissen erwerben, dass sie dieses Wissen auf andere Gebiete transferieren können und auch so, dass sie dies möglichst motiviert tun können. Ich finde, dies entspricht sowohl der Definition von Kompetenz als auch jener von gutem Unterricht.

Ebenfalls neu ist das Fach Medien und Informatik. Sind die Lehrpersonen da à jour?

Ja, die Lehrerinnen und Lehrer, welche dieses Fach ab kommender Woche erteilen werden, sind dafür an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen weitergebildet worden. Einzig die Infrastruktur an den einzelnen Schulen wird wohl eine Knacknuss werden.

Wie meinen Sie das?

Das Erziehungsdepartement des Kantons hat Ende letzten Jahres ein Konzept präsentiert, welches vorgibt, welche Infrastruktur für den Start mit dem Fach zur Verfügung ­stehen muss. Die Bereitstellung dieser Infrastruktur, wie Tablets für die Schülerinnen und Schüler oder der Möglichkeit von kabelloser Visualisierungs- und Präsentationsmöglichkeit, ist in vielen Gemeinden leider noch nicht vollzogen. Dies führt zu einer Verunsicherung in der Lehrerschaft, wie nun mit diesem Fach umgegangen werden soll. (Interview: lbb)